Das Meer der Aswang | Allan N. Derain
Thumbs down
Nachdem Luklaks Mutter für ihr Fremdgehen hingerichtet worden ist, verspeist das 15-jährige philippinische Mädchen ihren Bruder. Dass dieser ein Aal ist und vorher bereits tot war, macht die Sache nur bedingt besser, denn in den nächsten Tagen beginnt Luklak, sich in einen Aswang, ein krokodilartiges Wesen, zu verwandeln.
Wie aus der Prämisse hervorgeht, handelt es sich um eine farbenfrohe Mischung aus Coming of Age—genauer: Initiationsroman—, mythologischer Erzählung sowie philippinischer Kultur in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Handeln wir diese Aspekte also einzeln ab. Letzteres, die philippinische Kultur, schlägt sich am stärksten in den Lebensumständen der zentralen Charaktere nieder: Ihre Häuser stehen auf Stelzen, die Männer halten auf dem Wachturm Ausschau nach Piraten, und der spanische Priester wirbt unter der Bevölkerung für das Christentum. Die koloniale Gewalt macht sich immer wieder bemerkbar. Zuletzt gibt es häufig metafiktionale Einschübe, welche sich oft mit der örtlichen Sprachvielfalt befassen und linguistische Beobachtungen machen.
Die vielen Mythen und Legenden, die dem Roman eine verführerische magische Qualität verleihen, sind natürlich eigentlich nicht von der philippinischen Kultur zu trennen, wie ich es oben tat. Im Gegenteil präsentiert der Autor im Nachwort eine sehr ausführliche Auflistung seiner Quellen, die einladen, einem goldenen Schamhaar, einem Affen mit roter Hose oder eben den Aswangs aus dem Titel tiefer auf den Grund zu gehen. Wie für Mythen üblich, sind viele von ihnen von Gewalt durchzogen. Hier bilden einige nüchterne Anmerkungen des Erzählers einen Gegenpol, der sich zu dem sehr trockenen Humor gesellt, der sich still durch das gesamte Buch zieht.
Wenn wir nun zum Coming of Age kommen wollen, so offenbart sich langsam mein größter Kritikpunkt am Roman. Losgelöst vom Setting und den Mythen bleibt hier nämlich nicht mehr viel übrig. Ich will mich nicht missverstanden wissen: Luklak ist ein interessanter Charakter, und wie sie den Tod ihrer Mutter und ihr eigenes Erwachsenwerden erlebt, ist spannend erzählt. Nur funken hier oft eingeschobene Sagenerzählungen dazwischen, sodass Luklaks Geschichte sich teils träge oder sogar unwichtig anfühlt.
Das kann natürlich beabsichtigt sein. Mit Blick auf die Gesellschaften, deren Teil wir sind, werden wir alle zu Fußnoten degradiert. Dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass die Geschehnisse um Luklak den rote Faden der Erzählung bilden und damit noch mehr hätten ausgeleuchtet werden können.
Insgesamt ist die Geschichte also gut recherchiert und abwechslungsreich, mit etwas zu wenig Ziehkraft in ihrem Haupthandlungsstrang. Außerdem ging mir das Allgemeine zu sehr im Spezifischen verloren. Dadurch, dass eben jedes Detail so minutiös nachgeforscht wurde, fiel es mir schwer, das Universelle darin zu erkennen. Am Ende möchte ich niemandem abraten, dieses Buch zu lesen, aber für eine Empfehlung reicht es eben auch nicht.
Thoughts? Reach out on Mastodon @Optional@dice.camp, message me via SimpleX, or shoot me an email.