Lebensgeister (orig. "Sweet Hereafter") | Banana Yoshimoto

Thumbs downWird mich nicht nachhaltig heimsuchen

Sayoko und ihr langjähriger Freund Yōichi geraten in einen schweren Autounfall, der sie schwer verletzt und ihn tötet. Es dauert Jahre, bis ihr Körper sich genug erholt hat, um ihr wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Doch der seelische Schmerz um den Verlust von Yōichi bleibt. Gemeinsam mit seinen Eltern navigiert Sayoko den langen Prozess der Trauer.

Erzählt aus Sayokos Perspektive, spiegelt sich ihr mentaler Schmerz in der erzählerischen Form wider: verwirrte Sprünge zwischen Geschehnissen der Gegenwart und Vergangenheit, Gedankenkreisen um Leben und Tod, eine ständige Rückkehr zu Yōichi, die Suche nach Halt. Das Ganze ist auch insofern effektiv, als es zumindest diese Leserin sehr erschöpft hat – doch leider nicht auf eine Weise, die als Erfolg des Romans verbucht werden kann.

Schuld daran ist aber nicht nur die besagte Form, welche lange unklar lässt, wohin die Handlung noch gehen wird, sondern auch, wie fremd Yōichi uns bleibt. Sayoko erinnert sich hauptsächlich daran, dass sie ihn sehr geliebt hat. Doch was ihn wirklich ausgemacht hat, wer er war, bleibt für uns ein Schemen. Damit lesen sich große Teile dieses Romans wie jene Schwärmereien von Freundinnen über ein Date oder einen neuen Freund, den wir noch nicht kennenlernen durften – es ist verständlich, warum sie so starke Gefühle empfinden, aber wirklich Anteil zu nehmen bleibt schwierig.

Als Sayoko knapp vor der Mitte des Romans schließlich auf Ataru trifft, der seiner verstorbenen Mutter nachtrauert, beginnt sie, sich langsam zu fangen. Die Erzählung schwelgt weniger in Erinnerungen an Yōichi, während sich auch die Erzählstruktur stringenter präsentiert. Handwerklich sicherlich ein schöner Kunstgriff, doch er hätte auch schon ein Stück früher eingesetzt werden können.

Das gelungenste Element bleiben vielleicht die Lebensgeister aus dem (deutschen) Titel. Nach ihrer Nahtoderfahrung sieht Sayoko Geister. Was wir Lesenden anfangs noch einfach als Einbildungen abtun könnten, wird nach und nach, sehr langsam und mit Finesse, mystisch aufgeladen, als schließlich auch andere Lebende die Geister spüren oder ihr früheres Leben beschreiben. Ein schönes Element von magischem Realismus, komplementär zu den sonst so alltäglichen Szenen, insgesamt aber überschattet von den oben genannten Problemen.

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