An diesem Film ist nichts «Wunderschön» (2022)

Ich hatte neulich das große Pech Wunderschön von und mit Karoline Herfurth zu sehen. Wie zu erwarten ist der Film lediglich daran interessiert progressiv zu wirken, während er tatsächlich zutiefst konservative Werte vermittelt.

Der Film folgt den Geschichten von 5 Frauen, die Episodenhaft erzählt werden und in Punkten miteinander verwoben werden. Da sind Sonja, die nach zwei Schwangerschaften ihren Körper nicht mehr mag, Frauke, die in der Rente eine Distanz zu ihrem Ehemann verspürt, die übergewichtige Schülerin Leyla ohne Selbstbewusstsein, das Model Julie, und Vicky, die groß und breit vom Feminismus erzählt.

Emanzipation? Nein, danke

Vicky's Geschichte beginnt recht emanzipatorisch: Als ausgesprochene Feministin nutzt sie ihre Position als Lehrerin um ihre Schüler Referate über wichtige Frauen der Kunstgeschichte halten zu lassen. Zusätzlich erklärt sie ihnen (und dem Publikum), dass Social Media ihnen ein unrealistisches Körperbild vermittelt.

Scheinbar befreit von sozialen Vorstellungen einer Beziehung genießt sie ihr Single-Dasein mit einigen One-Night-Stands. Doch diese Freiheit kann der deutsche Film einer Frau nicht zustehen. Sie verfällt einem Mann, der ihr diesen emanzipatorische Traum als feministische Propaganda “entlarvt” und sie in das “Happy End” einer festen Beziehung lockt.

Karriere ist nichts für Frauen

Sonja, hat keine Lust mehr auf ihre beiden Kinder und will sich in einen Büro-Job fliehen. Dazu zwingt sie ihrem Mann, der eigentlich ebenso zur Arbeit muss, die Kinder auf. Aber auch die Arbeit entpuppt sich als stressig. Als ihre Freundin Vicky fragt ob sie denn wirklich mit ihrem Mann tauschen wollen würde wird Sonja wütend und weicht aus. Impliziert wird, dass Mann vielleicht doch schlechter dran ist als Frau und ein Aufbegehren im schlimmsten Fall mit einer Umkehrung der Geschlechterrollen endet.

Die 24-jährige Julie lebt anfangs ihre Traumkarriere als Model. Sie hat eine eigene Wohnung und geht regelmäßig feiern. Auch das kann der Film ihr nicht gönnen: Als ein 7-jähriges Mädchen beginnt Julie regelmäßig zu besuchen, wird Julie zum Ersatz für die verstorbene Mutter. In dieser Rolle beginnt sie über ihre Karrierewahl zu reflektieren. Zusätzlich benötigt es letztendlich trotzdem noch einen drogenbedingten Krankenhausaufenthalt damit sie endlich ihre Karriere aufgibt.

Fraukes Job in einem Buchladen wird von ihrem Mann verspottet. Als sie ihre Schicht einmal verschläft, belächelt er sie und behauptet die kämen auch ganz gut ohne sie klar. Der Film bestätigt diese These, denn danach wird dieser Job nicht mehr erwähnt.

Feminismus zum Wohlfühlen

Der Feminismus als Aktivismus, das Ausleben weiblicher Sexualität außerhalb einer Beziehung, sowie der Karrierewunsch von Frau werden vom Film also bestenfalls belächelt, meist aber gestraft und damit für falsch erklärt. Trotzdem gibt sich der Film Mühe, progressiv zu wirken. Er sucht sich winzige emanzipatorische Ziele bei denen auch ein konservatives Publikum noch nicken kann und stellt diese groß aus.

Kernstück ist natürlich die Bodypositivity, die sich der Film in Trailer und Titel auf die Fahne schreibt. Uns werden Frauen präsentiert, die wegen ihrem Alter, Gewicht, oder vergangener Schwangerschaft nicht dem Schönheitsideal entsprechen. Auch sehen wir wie unmöglich es ist dem Idealbild einer Frau zu entsprechen und dafür neben vollständiger Widmung eines bestimmten Lebensstils auch Medikamente notwendig sind.

Lediglich eine Szene liefert Kritik an konservativen Familienvorstellungen: Als Sonja ihre Kinder ins Bett bringt, liest sie ihnen ein Kinderbuch vor. In sarkastischem Ton liest sie, dass natürlich die Mutter den Frühjahrsputz macht und dass natürlich die Mutter im Krankenhaus darauf wartet, dass ihr Kind aufwacht, weil sie ja nix besseres zu tun hat.

Diese Szene hat auch tatsächlich für Lachen in der Vorstellung gesorgt, die ich besuchte. Dem denkenden Publikum sollte jedoch das Lachen im Halse stecken bleiben. Eben dieses hier vage angeprangerte Frauenbild, wird durchweg vom Film reproduziert. Keine 20 Minuten später sehen wir Frauke, die wohl nix besseres zu tun hat, als im Krankenhaus darauf zu warten, dass ihre Tochter Julie aufwacht.

Wer nicht aufwacht, ist das Publikum, welches sich weiterhin auf die Schulter klopfen kann, schlauer zu sein als ein sexistisches Bilderbuch – ohne zu merken, dass Wunderschön eben diese Bilder 24 Mal pro Sekunde reproduziert.

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